Es ist zwar Tradition, aber keine Routine, dass sich jeden Herbst Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs auf den Weg zum Europäischen Parlament machen. Vor Ort sehen und verstehen, sich beteiligen, statt von ferne urteilen: Europa als gemeinsames Projekt soll an diesem Tag anschaulich und erfahrbar werden.
Um 6 Uhr morgens an der Bushaltestelle Römerhügel ist das vielleicht noch nicht bei allen der erste Gedanke. Drei Stunden und eine Kaffeepause später kommt man der Sache schon näher. Es hat aufgehört zu regnen und wir stehen vor dem großen gläsernen Rundbau des Louise-Weiss-Gebäudes, neben uns das bunte Fahnenspalier. Der Bau sieht unfertig aus, oben ragen leere Pfeiler in die Luft. Architektur als Aussage: Europa lässt sich nicht abschließen, es ist work in progress, auch an diesem Ort.
In den Gebäuden umfängt uns freundliche Arbeitsatmosphäre: Rolltreppen, wieder Fahnen, ein Café, dann der große Plenarsaal. Wir bekommen einen Einblick in die Maschinerie von Fraktionen, Gesetzgebung und Abstimmungsverfahren. Beeindruckend ist, wie man mit der Sprachenvielfalt Europas umgeht. Allein etwa 3.000 Menschen arbeiten daran, dass jedes offiziell gesprochene und geschriebene Wort in alle 24 Amtssprachen übersetzt wird. Wirklich jede und jeder ist angesprochen und soll sich beteiligen.
Ein Panoramafilm zeigt die Entwicklung der europäischen Idee und Schlaglichter ihrer Geschichte. Anschließend laden interaktive Bildschirme dazu ein, Details zu recherchieren, Hintergründe zu verstehen und Verbindungen herzustellen. Die Schülerinnen und Schüler lassen sich gern darauf ein, spielen mit den Möglichkeiten oder stellen ihre Fremdsprachenkenntnisse auf die Probe. Gegen Mittag versammeln wir uns unter strahlend blauem Himmel wieder im runden Innenhof, bevor es per Bus zurück ins Stadtzentrum von Straßburg geht.
Im Laufe der nächsten Stunden sieht man immer wieder kleine Schülergruppen auf der Altstadtinsel, vor der astronomischen Uhr im Münster und in den charmanten Cafés überall: Junge Leute, die eine ganz normale französische Stadt genießen, junge Leute aber auch an einem faszinierenden Ort europäischer Begegnung, des Austauschs und der Zusammenarbeit.
Wir kommen sehr gerne wieder.